Psychoanalytische Therapie in Gruppen

Einleitung


Je mehr man sich über das Ausmaß psychischer Erkrankungen klar wird, desto wichtiger wird die Weiterentwicklung von Gruppenmethoden, die ein wirksames methodisches Werkzeug darstellen. Ein stichhaltiges Argument ist die Tatsache, daß man mit Gruppenmethoden eine größere Zahl von Patienten behandeln kann. Man muß jedoch noch ein wichtigeres Argument für die Gruppentherapie in Betracht ziehen: Selbst wenn eine ausreichende Anzahl von kompetenten Psychotherapeuten für alle Menschen zur Verfügung stünde, die fachkundige Hilfe brauchen—was in den nächsten zwei oder drei Generationen höchst unwahrscheinlich ist—, könnten Einzeltherapie oder Einzelanalyse der Mehrzahl der Patienten niemals befriedigende Möglichkeiten bieten. Die meisten Leute können nicht mehr als den Preis einer Einzelsitzung pro Woche bezahlen; das reicht aber in den meisten Fällen für eine wirksame Behandlung nicht aus. Die einzige Hoffnung liegt daher in der Entwicklung von Formen intensiver Gruppenpsychotherapie—vielleicht kombiniert mit gelegentlichen Einzelsitzungen—, die so effektiv zu sein hätten, daß der Durchschnittspatient für ein Honorar, das er sich leisten kann, eine angemessene Psychotherapie bekommen könnte.

Abgesehen von den obigen Erwägungen muß betont werden, daß die Gruppentherapie unter einem rein wissenschaftlichen und therapeutischen Gesichtspunkt dadurch erhebliche Bedeutung gewonnen hat, daß sie unsere Erkenntnisse über psychische Mechanismen und therapeutische Prozesse vertieft, erweitert und auf manchen Gebieten verändert hat. Solche Verbesserungen werden und müssen durch weitere Untersuchungen fortgeführt werden.

Wir wollten daher in dem vorliegenden Werk kein einheitliches System vorlegen, sondern die verschiedenartigen und herausfordernden Denkweisen einiger der hervorragenden Exponenten der Welt, die verschiedene Wege zur analytischen Gruppentherapie vertreten. Nach sorgfältiger Lektüre der Schriften von annähernd vierhundert Gruppentherapeuten aus Europa und den Vereinigten Staaten wurden zweiunddreißig von ihnen eingeladen, ihre spezifischen Methoden und Standpunkte darzulegen. Die Bewertung der eingegangenen Manuskripte führte zur Auswahl der Abhandlungen, aus denen sich dieses Buch zusammensetzt. Mit Ausnahme der »Einführung in die psychoanalytische Gruppentherapie« sind alle Abhandlungen speziell für den vorliegenden Band geschrieben worden. Jeder Autor wurde ermutigt, sein Kapitel nach seinen Wünschen zu strukturieren und seine individuellen Ansichten frei zum Ausdruck zu bringen, ohne Rücksicht darauf, wie weit seine Ausrichtung von der des Herausgebers oder der anderer Beiträger abweichen mochte. Es wurde angestrebt, für jede Richtung, Form oder besondere Anwendung der Gruppenpsychotherapie nur einen maßgeblichen Sprecher auszuwählen.

Insgesamt bieten diese Abhandlungen einen vollständigen Überblick über die verschiedenen Methoden und Anwendungsweisen der Tiefenbehandlung in der Gruppe. Die dargestellte klinische Forschung bietet reichlich Beweise dafür, daß die Gruppenpsychotherapie — manchmal kombiniert mit gelegentlichen oder regelmäßigen Einzelsitzungen — eine wirksame Methode sein kann, um psychisch Kranken zu helfen. Wir hoffen, daß die vorgelegten Theorien und Techniken den Neuling auf dem Gebiet der Gruppentherapie ermutigen und die Kenntnisse des erfahrenen Praktikers erweitern werden.

Das Wachstum der Gruppentherapie in den Vereinigten Staaten verläuft parallel der zunehmenden Anerkennung und Entwicklung von Psychoanalyse und psychoanalytisch orientierter Therapie in diesem Land, im Vergleich zu ihrer langsameren Ausbreitung in den meisten europäischen Ländern. Man hat z. B. geschätzt, daß in der Stadt New York nahezu vierzig Prozent derjenigen psychisch Kranken, die fachkundige Hilfe erhalten, in Gruppenpsychotherapie sind.

Die rasch wachsende Anzahl von Personen, die gruppentherapeutisch behandelt werden, bedeutet nicht unbedingt, daß diese Menschen stets bessere fachmännische Hilfe bekommen. Die wirksame Behandlung von Patienten in Gruppen stellt viel höhere Anforderungen und ist viel komplizierter als die Einzelanalyse. Man muß betonen, daß effektive Gruppenpsychotherapie nur von gut ausgebildeten, geschickten und begabten Psychotherapeuten praktiziert werden kann, die eine zusätzliche, besondere Ausbildung in Gruppenpsychotherapie erhalten haben. Leider entspricht der Zunahme der praktischen psychotherapeutischen und psychoanalytischen Arbeit kein ebenso wünschenswertes Qualitätsniveau in der fachlichen Ausbildung und Leistung. Darum ist die American Mental Health Foundation seit vielen Jahren dabei, Techniken zur wirksameren Auswahl und Ausbildung von Therapeuten zu erforschen, die fähig sind, Methoden der Einzel- und Gruppenpsychoanalyse anzuwenden.

Zum Abschluß mag ein Hinweis darauf interessant sein, wie stark die Gefühle und Überzeugungen bei manchen der Autoren im Hinblick auf die Verwendung der Begriffe »Psychoanalyse«, »psychoanalytische Therapie« und »Psychotherapie« sind. Der Titel des vorliegenden Werkes ist für diese Autoren ein annehmbarer Kompromiß.

Eine französische Parellelausgabe erscheint demnächst im Verlag Presses Universitaires de France, Paris.